Vor kurzem bin ich nachts aufgewacht. Das soll gelegentlich vorkommen.
Ich habe das Gefühl, ich müsste auf Toilette gehen, also tapse ich mit den sicheren Schritten der Gewohnheit ohne Licht ins Bad. Ich setze mich im Dunkeln hin und lege den Finger zum ersten mal bewusst auf das Gefühl, dass ich seit dem Erwachen habe: Etwas ist anders.
Es dauert einen Moment, bis ich darauf komme. Im Schalter links neben meinem Kopf fehlen die roten Statusleuchten, die grün werden wenn das Licht an ist.
Im ganzen Dorf ist Stromausfall!
Nun fällt mir auch die Stille auf. Ich bin sicher, dass ich davon aufgewacht bin, von der Stille. In jedem Haus gibt es eine Vielzahl an unterschwelligen Geräuschen. Es blubbert, rauscht, brummt und summt. Lüftung, Wasserleitungen, Heizung, Kühlschrank: Im Alltag bemerke ich sie nicht. Doch nun ist die Stille ohrenbetäubend.
In Michael Crichton’s Timeline reist eine Gruppe Wissenschaftler ins Mittelalter. Das erste, was ihnen auffällt, ist die Abwesenheit aller “technischen” Geräusche. Kannst du dir eine solche Welt vorstellen?
Ich hoffe, du warst schon mal an einem relativ ruhigen Ort – im Wald, am Meer, in den Bergen. Nun stell dir vor: das Rauschen des Verkehrs in der Ferne, die Forstarbeiter am anderen Ende des Waldes, die Flugzeuge am Rand der Stratosphäre über dir – alles weg!
Die Beherrschung des elektrischen Stroms hat zweifelsohne viel Fortschritt gebracht. Im Kühlschrank können wir unsere Lebensmittel länger frisch halten. Moderne Heizungen erlauben uns fast wartungsfrei und ohne großen Aufwand, die Wohnung warm zu halten. Mit elektrischem Licht können wir uns nachts sicher bewegen, ohne zu stürzen und uns zu verletzen.
Doch wie viel dieses Fortschritts ist uns wirklich dienlich? Ein Großteil der technischen Errungenschaften macht das Leben vermeintlich bequemer und hat gleichzeitig eine dunkle Seite. Immer mehr Technik nimmt uns die Eigenverantwortung und macht uns abhängig.
Wie würdest du dein Haus beheizen, wenn der Strom länger ausfällt? Woher bekämst du deine Lebensmittel? Wie machst du sie haltbar?
Die am einfachsten zu beantwortende Frage ist wohl, was du ohne elektrisches Licht machen würdest. Du würdest leben wie die Menschen vor gerade einmal 150 Jahren. So jung sind die ersten Vorfahren der modernen Glühbirne.
Seit 150 Jahren erleben wir einen rasanten und dramatischen Zuwachs an nächtlichen Licht und fast niemand macht sich über dessen Auswirkungen Gedanken.
Der Gewinn an Sicherheit ist vernachlässigbar und – je nachdem, welche Studie man befragt – sogar negativ. Es gibt keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Licht und Kriminalität, dagegen aber sehr gut nachweisbare Beeinträchtigungen unserer Gesundheit, angefangen bei Schlaflosigkeit bis hin zu Krebs.
Für mich ist die schlimmste Nebenwirkung von nächtlichem Licht jedoch der Verlust eines Jahrtausende alten Kulturgutes, dem Sternenhimmel.
Chestertons Zaun, ein Prinzip des englischen Schriftstellers und Journalisten G. K. Chesterton, beschreibt einen Zaun, der scheinbar willkürlich über eine Straße errichtet ist. Wer darin keinen Sinn sieht, möchte ihn schnell abreißen. Doch ein weitsichtiger Mensch wird sagen: Wenn du den Sinn darin nicht erkennst, lass ihn stehen. Denk darüber nach. Wenn du erkennst, wozu der Zaun gut ist, dann kannst du ihn gern zerstören (aus G. K. Chesterton: The Drift from Domesticity).
Reformen oder Veränderungen sollten nicht durchgeführt werden, bis die Gründe für den bestehenden Zustand bekannt sind. In ähnlicher Weise mahnt das Vorsorgeprinzip zu Vorsicht, Innehalten und Überprüfung, bevor wir Innovationen annehmen, die katastrophale Folgen haben können.
Aktuelle Beispiele sind mRNA-Wirkstoffe, die zunehmende Sättigung unserer Umwelt mit hochfrequenten Funkwellen, die Allgegenwart von Bildschirmen und nächtliches Licht. Im besten Fall sind sie harmlos, im schlimmsten Fall eine Gesundheitskrise ungeahnten Ausmaßes.
Bei nächtlichem Licht sind mittlerweile viele negative Auswirkungen bekannt, werden jedoch in der Öffentlichkeit kaum thematisiert. Unsere Welt wird Jahr für Jahr heller. Trotz “Energiekrise” beleuchten wir die Nacht, als wollten wir sie für immer verbannen.
Wann bist du zuletzt nur im Lichte des Mondes spazieren gegangen? Das geht erstaunlich gut wenn du deinen Augen etwas Zeit gibst, sich an den geringen Lichtpegel zu gewöhnen. In Abwesenheit des Mondes reicht dann doch Beleuchtung in vergleichbarer Stärke. Wie konnte es so weit kommen, dass wir die Nacht zum Tag gemacht haben?
Ich wünsche dir, dass du einmal einen Sternenhimmel siehst, der von menschlichem Licht gänzlich unberührt ist. Vielleicht würdest du dich wie ich in seinen Zauber verlieben und erkennen, wie schlimm der Verlust der Nacht ist.
Warum der Sternenhimmel für mich ganz besonders für Freiheit steht, erzähle ich dir in einem der nächsten Freiheitsbriefe.
#machdichfrei
Dein Ulrich
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