Ich wollte das immer: weit draußen auf dem Land die eigenen vier Wände auf einem großen Grundstück mit viel Abstand zum nächsten Nachbarn, eine Sauna im Keller und eine Feuerschale für laue Sommerabende neben dem Gemüsegarten.
Als Kind hatten wir eine Wohnung in der Stadt und ein Haus auf dem Land. Das Stadtleben war grauenvoll. Es war laut und dreckig, in der Schule wurde ich gemobbt. Freitag nachmittags aufs Land zu fahren war für mich pure Freiheit.
Nach dem Studium waren es zehn Jahre ältere und im Leben weitere Freunde, die gerade ein schönes Haus im Taunus gebaut hatten und damit in mir die Sehnsucht weckten: Genau so will ich das auch.
Den Traum habe ich mir erfüllt und er fühlt sich an manchen Tagen an wie ein Albtraum: die Hypothek so kalkuliert, dass ich sie gerade so bis zur Rente abbezahlen kann. Das macht man so, oder? Schauen, was auf der Bank liegt, dazu das nehmen, was die Bank bereit ist einem zu geben, und für die Summe bauen. Ich bin sicher, ich bin nicht der einzige, der diesen Fehler gemacht hat.
Haus und Garten sind viel zu groß geraten. Ich kann mich gut darum kümmern, wollte das auch immer. Doch dann bleibt keine Zeit für meine Projekte, meine Reisen. Unterwegs bekomme ich ein schlechtes Gewissen weil ich den Garten vernachlässige. Bleibe ich stattdessen zuhause, habe ich ebenfalls das schlechte Gewissen sobald ich einfach mal entspannen will. Jemand bezahlen, der sich kümmert, will ich auch nicht.
Also habe ich mich entschieden: Ich verkaufe das Haus. Der Traum, er war nicht mein eigener! Das macht man eben so. Heiraten, Haus bauen, Kinder kriegen. Nun ja, vielleicht auffällig, dass ich nur eins davon gemacht habe.
Freunde sagen mir oft, ein Tiny House wäre doch das richtige für mich. Ja und nein: Weniger Verantwortung und Verpflichtung hätte ich zwar, doch ich wäre noch immer ortsgebunden.
Je mehr ich mich mit Freiheit beschäftige, desto mehr fällt mir auf, dass ich schon immer in Bewegung sein wollte. Lange Sommerurlaube auf dem Segelboot, jeden Abend in einer neuen Bucht. Dreizehn Umzüge bis ins vermeintliche Traumhaus. Ich will neues sehen, nicht täglich aber doch regelmäßig in einer neuen Landschaft aufwachen.
Leben im Expeditionsmobil scheint mir der richtige Weg dafür. Im ABC der Freiheit habe ich über den Piloten geschrieben, der mit seiner Familie im Wohnmobil lebt. Das ist mein Plan! Nomaden waren wir Menschen doch schon immer, die Sesshaftigkeit ist neuartig und vielleicht sogar unnatürlich.
Michael Nast schreibt über Einfamilienhausgebiete: “Ich empfinde sie als perfekte Metapher für das Verständnis von Wohlstand, das wir in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit kultivieren. Man spart sich von einer Anschaffung zur nächsten. Jeder schafft sich seine eigene kleine Welt, das eigene Grundstück ist nur Kopie der anderen Grundstücke.”
Ist es bei einem Expeditionsmobil (oder überhaupt in jeder Form des Vanlife) anders? Minimalismus in Ehren, der Wohlstand zeigt sich trotzdem wieder in der Wahl des Fahrzeugs: alter Handwerker-Van oder moderner Lkw, wie groß ist mein Budget? Individuelle Ausbauten sind en vogue, doch am Ende ist jede Kabine doch wieder nur Kopie der anderen Kabinen. Hinten das Bett – quer wenn man sich einen Lkw leisten kann oder kurz genug ist – davor Sitzgruppe und Küche, bei den größeren Wohnmobilen ein Bad.
Kreativität wird höchstens bei der Farbe der Polster ausgelebt, an den meisten Wänden hängt dann doch eine Weltkarte und Makramee. Und die Inspiration, sie kommt von Instagram, YouTube und Magazinen wie CamperVans und dem explorer.
Mache ich also wieder den gleichen Fehler? Habe ich mir eine tolle Idee einreden lassen, die ich nun für meine eigene halte? Lebe ich wieder den Traum der anderen? Möglich!
Vielleicht stehst du vor ähnlichen Fragen, die in der einen gipfeln: Werde ich es jemals wissen? Es gibt nur einen Weg, diese Frage zu beantworten: indem du es tust!
Hätte ich kein Haus gebaut, hätte ich wohl bis zu meinem Lebensende gezweifelt, ob ich es nicht doch hätte machen sollen. Ich will nicht zweifeln, nicht hadern. Das Leben ist endlich und am Ende bereuen die meisten nur die Dinge, die sie nicht getan haben.
Der entscheidende Unterschied liegt im Expeditionsmobil darin, was ich damit tue. Was ich sehe, erlebe, wohin ich reise. Erlebnisse, bei denen mich das Haus nur bremst.
Vielleicht fühlen wir irgendwann, was Gabriel García Márquez meinte: “Bis die Wirklichkeit sie lehrte, dass die Zukunft nicht war, was sie von ihr träumten, und sie somit die Nostalgie entdeckten.” So weit sind wir noch nicht.* Müssen auch nie so weit kommen. Und so lange erschaffen wir das beste Leben, das wir uns für uns vorstellen können.
* danke an Andreas Altmann für das Zitat
#machdichfrei
Dein Ulrich
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