Ein Mann läuft durch den Wald und trifft auf einen Forstarbeiter, der sich sichtlich abmüht, einen Baum zu fällen. Der Mann spricht den Arbeiter an: “Entschuldigen Sie, aber Ihre Axt ist ja ganz stumpf.” – “Ich habe keine Zeit, sie zu schärfen. Ich muss diesen Baum fällen”, antwortet der Waldarbeiter.
Wie oft versuchst du, mit einer stumpfen Axt das Holz des Lebens zu fällen?
Die vergangene Woche habe ich auf einem Retreat verbracht. Zeit für mich, Zeit für Introspektion, Zeit für Ruhe und Erholung.
Auch wenn ich mir an einzelnen Tagen denke, ich hätte nicht viel erreicht, dann bin ich doch immer wieder erstaunt, was ich seit Anfang des Jahres alles vollbracht habe: Umschulung auf Boeing Dreamliner, verschiedene Events fotografiert, den Reisefilm über den Pazifischen Nordwesten produziert, Fortschritte am Expeditionsmobil, 26 Freiheitsbriefe. Permanent in Bewegung, Stein für Stein wird ein Haus gebaut.
Für mich selbst und nach außen erscheint es oft, als hätte ich unendlich viel Energie. Doch darin liegt eine große Gefahr: Ich übernehme ich mich leicht. So viele Interessen, so viele Projekte. Schon beim Aufwachen läuft der Antrieb. Passe ich nicht auf, komme ich schnell an den Punkt, an dem das Gaspedal ganz durchgedrückt ist, der Motor auf Volllast läuft, aber keine Leistung mehr bringt.
Zwischen Phasen der Leistung benötigen wir Erholung. Ich spreche nicht von einem feucht-fröhlichen Abend im Club, nicht von Netflix und Amazon Prime, aber auch nicht davon, einen Tag auf dem Sofa im Koma zu verbringen. Ruhe auf der Couch kann tatsächlich erholsam sein, unter Umständen auch ein entspannter Abend mit Freunden.
Für mich ist Erholung überwiegend aktiv. Zeit in der Natur, der Körper in der Spur des Wanderweges in Bewegung, der Geist darf sich dabei treiben lassen. Die besten Ideen kommen mir wenn die Landschaft an mir vorbei zieht.
Das Retreat war da etwas anders. Auf dem weitläufigen Gelände konnte ich mich zwar auch bewegen, doch ich ging zum ersten mal dieses Jahr nicht meine täglichen 10.000 Schritte. Wir kochten leichtes Essen, das den Körper nicht belastet. Wir tranken nur Tee und Zitronenwasser. Wir verbrachten viel Zeit in Stille und begegneten unseren Schatten, unserem Ego, unseren kühnsten Träumen in dem Raum, der sich durch den außergewöhnlichen Rahmen öffnete.
So weit “raus” war ich seit Jahren nicht mehr, wenn ich es überhaupt jemals war.
Seit meiner Rückkehr erlebe ich ein Wechselbad der Gefühle. Meine Träume sind viel bunter, als würde im Kopf eine dringend überfällige Sortierung laufen. Die Stimme meiner Intuition ist wesentlich lauter und klarer geworden, vor allem in den kleinen Dingen: wann ich schlafen will, dass ich kaum noch Lust habe auf Alkohol, dass ich mir auch dieses Wochenende Zeit für mich selbst nehmen will.
Ich erlebe eine neue Klarheit darüber, dass ich nicht nur große Pausen nach langen Arbeitssprints brauche. Auch im Kleinen ist es nicht zielführend, wenn die Nadel immer am Anschlag steht.
Hugh Jackman beschreibt in der Tim Ferriss Show die 85%-Regel und wie man bei allen Spitzenathleten stets Entspannung in ihrer Bewegung sieht. Einem Trainer war aufgefallen, dass der Sprinter Carl Lewis an der 40-Meter-Marke stets der letzte oder vorletzte Läufer war und kurz darauf den Wettbewerb mit großem Vorsprung gewann. Die genaue Beobachtung brachte eine bedeutende Erkenntnis.
Während zwischen den 50- und 60-Meter-Marken die anderen Läufer die Fäuste ballten und man ihnen vom Gesicht den Gedanken “ich gebe jetzt alles” ablesen konnte, tat Lewis … nichts. Seine Form, seine Mimik und Gestik, sie blieben identisch. So zog er mit Leichtigkeit an seinen Konkurrenten vorbei.
Wenn du in der Überspannung bist, verschwendest du deine Energie auf das Halten dieser Spannung. Mach alles mit entspannter Leichtigkeit und du kommst weiter – beim Sport oder beim Schreiben, bei der Hausarbeit oder der Entspannung. Ja, auch wenn du verkrampft versuchst, dich zu entspannen, erreichst du am Ende das Gegenteil.
#machdichfrei
Dein Ulrich
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