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#35: Wie bekommt man einen Elefanten in einen Kühlschrank?

Wie bekommt man einen Elefanten in einen Kühlschrank?

Es ist eine Frage, auf die man zwei grundsätzlich verschiedene Antworten bekommt, abhängig davon, ob man ein Kind oder einen Erwachsenen fragt. Zu irgendeinem Zeitpunkt – und ich weiß noch nicht genau, wann und wieso – verändert sich etwas im Denken. Weg von einem einfachen und zugleich kreativen, lösungsorientierten Weltbild, hin zu einer an die eng gesteckten Grenzen der eingebildeten Realität gehaltenen, eingeschränkten Denkweise.

Vor kurzem war ich mit einer Freundin in Frankfurt. Am Straßenrand hatten zwei Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren einen Tisch aufgebaut und verkauften etwas. Nicht immer habe ich die Energie und Lust, anzuhalten, mir eine Geschichte anzuhören und höflich abzulehnen. Nein zu sagen fällt mir schwer, vor allem wenn es jemand doch gut meint.

Die zwei Mädchen hatten aber eine besondere Ausstrahlung, die uns beide aus unserer Unterhaltung und in ihren Bann zog. Karten hatten sie im Angebot, selbst gemacht, genau genommen noch eine letzte. Seit drei Stunden würden sie da stehen und würden jetzt gern die verbleibende Karte verkaufen, um nach Hause zu gehen.

Ist das verkäuferisch gut oder schlecht? Mehrwert für den Käufer Fehlanzeige, dafür viel Emotion, Tränendrüse. Die armen Kinder, stehen seit drei Stunden da, wollen heim. Ich wollte sie erlösen. Aber nicht sofort. Fragte, was sie denn mit dem Geld kaufen würden. Das wüssten sie noch nicht. Erst einmal sparen. 

Ich schaute auf die verbleibende Karte, im oberen Drittel halb durchgerissen und minimalistisch bemalt. Was soll sie kosten? Das dürften wir uns selbst überlegen. Raffiniert, die Kleinen! Wir schauen, wie viel Kleingeld wir noch haben, drei Euro kommen zusammen.

Die Mädels bedanken sich und erklären die Karte. Ein Krokodil sei das! Da ist das Auge, und da das mit Zähnen besetzte Maul. Ach so, die ist gar nicht zerrissen! Es ist irre, wie anders Kinder manchmal denken. Ich erinnere mich an eine Zeit vor Smartphones, vor dem Internet und vor dem Fernseher (der bei uns auch eher spät kam). Wir haben mit den einfachsten Dingen die größten Abenteuer erlebt!

Was tun wir Kindern an, was nehmen wir ihnen weg wenn wir ihre Kreativität beschneiden? Wenn wir Lego nicht mehr als Kiste gleichförmiger Steine kaufen, sondern einen Satz maßgeschneiderter Teile mit Bauanleitung? Wenn die Spiele klare Zielsetzungen haben und ihr Ausgang nicht so offen ist wie die grenzenlose Kreativität?

Mit der Karte in der Hand dachte ich an die Frage mit dem Elefanten. Ich hatte oft von den unterschiedlichen Antworten gehört, die Kinder und Erwachsene geben, es aber nie selbst an Kindern probiert.

Ich stellte also den Mädchen die Frage. Und bekam die Antwort, mit der ich gerechnet hatte. Obwohl ich den Versuch kannte, war ich doch erstaunt und beeindruckt von der Selbstverständlichkeit der kindlichen Antwort. Ich erzählte den beiden, dass Erwachsene die Frage nicht so beantworten und dass ich hoffe, dass sie diese besondere Fähigkeit nie ganz verlieren.

Vielleicht bleibt in ihrem Unterbewusstsein etwas hängen.

Wie bekommt man also einen Elefanten in einen Kühlschrank? Tür auf, Elefant rein, Tür zu. Manchmal kann das Leben so einfach sein.

#machdichfrei

Dein Ulrich

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